Auf der Sicherheitskonferenz irritiert US-Vizepräsident Vance mit seinen Ausführungen zu inneren Feinden. Sein Auftritt zeigt: Die USA sind für Europa kein stabiler Partner mehr.
Der Trommelwirbel war auf der Sicherheitskonferenz im Zentrum Münchens am Freitagnachmittag fast spürbar – in Erwartung der Rede von J.D. Vance. Was würde der neue US-amerikanische Vizepräsident sagen zur Beendigung des Ukraine-Krieges, welche Forderungen würde er an die Europäer stellen für eine gerechtere Lastenverteilung innerhalb der Nato, würden die USA überhaupt einen Platz für die EU am Verhandlungstisch mit Russland reservieren?
Stattdessen erklärt J.D. Vance der konsternierten politischen und militärischen Elite des europäischen Kontinents, dass aus seiner Sicht die viel größere Bedrohung von innen komme – und zwar eine für Freiheit und Demokratie. Die Gefahr, gegen die man sich verteidige, sei klar – und hier lässt er sogar einen Halbsatz darüber fallen, dass der Ukraine-Krieg sicher zu einem « vernünftigen Ende » gebracht werden könne – aber ihm sei unklar: « Was ist die positive Vision, für die man sich schützt? »
AfD-Wahlempfehlung zwischen den Zeilen
Um seine These zu untermauern, erzählt Vance dann vom britischen Bürger Adam Smith-Connor, der sich im November 2022 nicht an eine Demonstrationsverbotszone rund um eine Abtreibungsklinik in Bournemouth gehalten hatte und dafür zu einer Strafe von 9000 Pfund verurteilt wurde – für ihn ein klarer Beleg dafür, dass die Meinungsfreiheit unter Beschuss sei. Vance verwies auf Beispiele von Aktivisten in Europa, die für die Verbrennung von Koranen verurteilt wurden. Damit bläst der US-Vizepräsident ins Horn rechtspopulistischer Medien und Politiker, die in Europa das Ende der Meinungsfreiheit beklagen. Er bezichtigt die Europäer sogar, sie würden sich im Kampf gegen die Freiheit « hinter hässlichen sowjetischen Wörtern wie Fehlinformation und Desinformation » verstecken. Immerhin – eine offene Wahlempfehlung für die AfD kommt ihm anders als seinem Gesinnungsgenossen Elon Musk nicht über die Lippen.
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Allerdings lässt die sich zwischen den Zeilen erkennen: « Es gibt keinen Raum für Brandmauern », erklärt Vance von der Bühne des Hauptsaals im Bayerischen Hof, verbunden mit dem Vorwurf, in Europa werde Millionen von Wählern erklärt, ihre Gedanken und Sorgen seien ungültig und wertlos. Wichtigstes Thema für all diese Menschen – Vance verweist dabei auf das Attentat eines afghanischen Flüchtlings am Donnerstag in München – sei die Masseneinwanderung.
Unterm Strich ist das die Erzählung, mit der Donald Trump die US-Wahlen gewonnen hat: jene von einer abgehobenen Elite, die die wahren Sorgen und Nöte der einfachen Menschen ignoriere und ihnen sogar verbiete, darüber zu sprechen.
Einen echten Punkt hat Vance jedoch, als er die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahl Ende 2024 kritisiert: Unter Verweis auf eine angebliche russische Einflusskampagne hatte das oberste rumänische Gericht die Wahl kurz vor Beginn der zweiten Runde für ungültig erklärt. Auf echte Beweise dieser Einflusskampagne wartet die Öffentlichkeit bis heute – eher wirkt es so, als hätte das politische Establishment des EU-Staates, das die Wahl krachend verloren hatte, auf diese Weise den befürchteten Wahlsieg eines rechtspopulistischen Kandidaten verhindert.
Zuhörer empfinden Vance’ Auftritt als « unangenehm »
Die Rede von Vance hinterlässt in München ratlose Gesichter. Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der amerikanischen Streitkräfte in Europa, bezeichnet gegenüber dem stern den Auftritt des Vizepräsidenten als « unangenehm »: « Die Rede hat nichts zu den Herausforderungen der europäischen Sicherheit beigetragen. Warum kommt er nach München, um über deutsche Politik zu sprechen? », so Hodges. « Und es war merkwürdig, dass Vance den Europäern Ratschläge in Sachen Demokratie gibt, wenn seine Partei, sein Boss, gezeigt hat, dass ihm demokratische Spielregeln egal sind, wenn er eine Wahl verliert. »
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Und Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärt von der gleichen Bühne wie Vance eine gute Stunde später: « Wenn ich Vance richtig verstanden habe, vergleicht er die Situation in Europa mit Zuständen in autoritären Regimen. Das ist nicht akzeptabel. » Er trete dem Eindruck entschieden entgegen, den der US-Vizepräsident erweckt habe, « dass bei uns Minderheiten unterdrückt werden ». Hätte Vance am Abend zuvor den Fernseher eingeschaltet, hätte er dort die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sehen können. Aber Demokratie bedeute eben nicht, « dass die laute Minderheit automatisch recht hat ».
Bei einer Eröffnungsfeier im gediegenen Prinz Carl Palais, bei der sich die deutsch-amerikanische transatlantische Elite aus Militär, Wirtschaft und Politik am Donnerstagabend getroffen hatte, waren die Trump’schen Provokationen der letzten Wochen noch weggelächelt worden. Das hat sich am Freitag mit dem Auftritt von J.D. Vance, schlagartig geändert: Er lässt die Befürchtungen darüber wachsen, wie tief der transatlantische Graben unter der Trump-Administration möglicherweise schon ist und noch werden kann. Anstatt gemeinsam Probleme wie Klimawandel und Sicherheit anzupacken, überzieht diese neue US-amerikanische Führung die Europäer lieber mit Strafzöllen und Vorwürfen, die EU sei eine Art neuer Sowjetunion, in der die Meinungsfreiheit bekämpft werde.
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Author : Moritz Gathmann
Publish date : 2025-02-14 17:08:00
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