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Analyse: Das sind die fünf wichtigsten Lehren der Hamburg-Wahl

Analyse: Das sind die fünf wichtigsten Lehren der Hamburg-Wahl

Die Hamburger Bürgerschaftswahl hat die Ergebnisse der Bundestagswahl teilweise konterkariert – teilweise aber auch bestätigt. Was folgt daraus für den Berliner Politkbetrieb?

Das gab es lange nicht mehr: Sozialdemokraten, die sich jubelnd in den Armen liegen. Nur eine Woche nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl hat die SPD mit 33,5 Prozent die Bürgerschaftswahl gewonnen. Das ist zwar deutlich weniger als fünf Jahren, aber angesichts der Umstände ein echter Erfolg.

Schon bevor die ersten Ergebnisse an der Elbe eintreffen, schallen euphorische « Hier regiert die SPD! »-Rufe durch die rappelvolle Markthalle, einer beliebten Konzert-Location in der Innenstadt, wo die SPD ihren Wahlabend zelebriert. Bei den ersten Prognosen sind die Hamburger Genossen schließlich völlig aus dem Häuschen, jubeln und applaudieren mit feierlicher Gewissheit: Die SPD regiert weiter, der rote Balken ist da eindeutig.

Die Partei könnte sich nun sogar zwischen einem grünen oder schwarzen Koalitionspartner entscheiden – wenn sich ihr wiedergewählte Bürgermeister Peter Tschentscher nicht schon zuvor eine Fortsetzung von Rot-Grün versprochen hätte. 

Gleichzeitig schafft es die AfD kaum, ihr übersichtliches Ergebnis von 2020 zu verbessern. Die 8,5 Prozent sind weniger als das, was sich die Partei erhoffte.

Ansonsten bestätigt Hamburg jedoch den am 23. Februar gesetzten Trend: FDP und BSW schaffen es nicht in die neue Bürgerschaft, während die wiederauferstandene Linke ein lokales Rekordergebnis einfährt. Das sind Rückschlüsse, die sich für die Bundespolitik ziehen lassen.

Konstruktives Regieren wird belohnt

Die Hamburgerinnen und Hamburger ließen sich kaum von den populistischen Grundstimmung beeindrucken. Sie wollten keinen Wechsel, sondern haben die amtierende Regierung bestätigt. 

Das liegt natürlich zum einen daran, dass es Hamburg gut geht. Laut einer Umfrage vor der Wahl bezeichneten fast 60 Prozent der Menschen die wirtschaftliche Lage in der Stadt als gut. Das waren nahezu viermal so viel als im Bundesschnitt. Zudem existiert in der Stadt ein urbanes, sozialliberales Milieu.

Doch jenseits dieser spezifischen Umstände hat der Senat unter dem Tschentscher offenkundig auch seine Arbeit gut gemacht. Die Zufriedenheitswerte für die Koalition sind auch deshalb hoch, weil sie nicht öffentlich stritt und einen fairen Umgang miteinander pflegte. Das wäre wohl die wichtigste Lehre aus der Hamburg-Wahl für die künftige Bundesregierung.

Die SPD kann noch gewinnen 

Glück aus, SPD? Wenigstens nicht in Hamburg: Die Wahl in der Hansestadt wird die desillusionierten Genossen wieder aufrichten. Auch wenn es das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der Landespartei ist.

Aber angesichts der Bundestrends ist das Ergebnis ordentlich. Wie zuvor Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte Bürgermeister Tschentscher im Wahlkampf größtmöglichen Abstand zur Gesamtpartei gesucht. Er verzichtete im Schlussspurt auf Unterstützung aus Berlin und feierte den Wahlkampfabschluss lieber mit Malu Dreyer, der beliebten Ex-Regierungschefin von Rheinland-Pfalz.

Das dürfte die Parteiführung in Berlin kaum davon abhalten, den Sieg in Hamburg als Beleg dafür heranzuziehen, dass die Sozialdemokraten noch Siege einfahren können. In ihrer derzeitigen Verfassung kann die SPD jede Art von psychologischer Stärkung gebrauchen – und sei es für die laufenden Sondierungen in der Hauptstadt mit der Union. 

Eine stabile Mitte hegt die AfD ein

Zweistellig wollte die AfD in Hamburg werden und damit ihr 2020-er Ergebnis von 5,3 Prozent verdoppeln. Doch der Balken der Prognose stoppte bei 8,5 Prozent. Die Gründe für die Schwäche der AfD sind ebenso in der besonderen Situation des Stadtstaats Hamburgs zu suchen wie in der Stabilität der dortigen Mitte. SPD, CDU und Grüne kommen zusammen immer noch auf gut drei Viertel der Wähler. 

Ansonsten gilt: Gutes Regieren ist schlecht für die AfD – und dies in einer Stadt, in der 40 Prozent der Menschen Migrationshintergrund haben und es auch in diesem Zusammenhang Probleme bei der inneren Sicherheit gibt. Doch obwohl das Thema auch diesen Landeswahlkampf mit dominierte, konnte es die extreme Rechte nicht ausbeuten. Heißt: Es gibt keine Automatismus für die AfD.

Die Linke hält ihr Momentum

Für die Linke gilt die alte politische Regel: Wenn es einmal läuft, läuft es. Spätestens mit der gemeinsamen Mehrheit von Union, AfD und FDP im Bundestag hat die Partei wieder ein gesellschaftliches Mobilisierungsinstrument: den Antifaschismus. Hinzu kam die Konzentration auf lebensnahe soziale Themen wie bezahlbares Wohnen, das insbesondere in einer teuren Großstadt wie Hamburg ein wachsendes Problem darstellt. 

Die Linke darf sich also nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl bestätigt fühlen. Das gilt für vor allem für den Zuspruch bei jungen Menschen. Gleichzeitig ist die Abspaltung BSW, die in Hamburg nie wirklich Tritt fasste, zusätzlich geschwächt. 

Hamburg bleibt die Ausnahme

Und doch: Hamburg ist nicht Berlin. Auch im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern wirkt die Stadt wie ein eigener politischer Planet: Schon bei der Bundestagswahl gehörten Hamburg und Bremen zu den wenigen roten Tupfern auf einer im Westen weitestgehend schwarz und im Osten vor allem blau eingefärbten Ergebniskarte.    

Tschentscher steht in einer langen Tradition. Nach Kriegsende stellte die SPD 14 Mal den Ersten Bürgermeister, nur dreimal die CDU – zuletzt 2011, bis ein gewisser Olaf Scholz die absolute Mehrheit holte und den Christdemokraten das Rathaus wieder abnahm.    

Der Noch-Bundeskanzler muss nun damit leben, dass er die SPD in eine existenzielle Krise geführt hat, an der Hamburg erst einmal nichts ändert. Im Gegenteil: Die Bürgerschaftswahl dürfte bislang viele Sozialdemokraten davon abgehalten haben, die nötige Personaldebatte zu führen. Doch diese Rücksichten müssen sie jetzt nicht mehr nehmen.



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Author : Martin Debes

Publish date : 2025-03-02 17:32:00

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