50.000 Taylor-Swift-Fans bringen Stadien zum Beben – und nicht nur das. Physiker Oliver Gerberding erklärt, was Wissenschaftler daraus lernen können.Herr Prof. Gerberding, Sie und weitere Forscherkolleginnen und -kollegen aus Hamburg haben gemessen, dass die Besucher des Taylor Swift-Konzerts am Mittwoch Erdbebenwellen ausgelöst haben. Wie kam es dazu?
Auf dem Campus der Science City Hamburg Bahrenfeld gibt es ein ganzes Netz aus Messpunkten, mit dem wir feinste Erschütterungen im Boden registrieren können, das WAVE-Netzwerk. Das haben wir dann während des Konzerts aktiviert.Wie stark waren die Erschütterungen?
Wir konnten seismische Wellen vom Stadion bis in 4,5 Kilometer Entfernung messen. Bei anderen Taylor-Swift-Konzerten entsprachen die Bodenvibrationen etwa denen eines Erdbebens der Stärke 1 bis 2 auf der sogenannten Richterskala. Allerdings ist diese Richterskala eigentlich nur für echte Erdbeben anwendbar. Deutliche Ausschläge: mit jedem neuen Song von Taylor Swift erzeugten die Zuschauer seismische Wellen im Boden
© WAVE CollaborationÄhnliche Messungen gab es auch schon in den USA. Wie schlagen sich die deutschen Fans im internationalen Vergleich?
Sehr gut, auch rhythmisch sind sie voll auf dem Punkt. Sie tanzen und hüpfen im Takt der Musik. Wir sehen das deutlich, wenn wir den Verlauf der Lieder über die Messkurve der Erschütterungen legen. Und im Vergleich mit anderen Events?
Vor zwei Wochen haben wir während des letzten in Hamburg ausgetragenen Spiels der Fußball-EM schon einmal Messungen durchgeführt. Leider verlief die Viertelfinal-Partie Portugal gegen Frankreich zunächst torlos. Aber beim Elfmeterschießen maßen wir ganz ähnliche Werte wie beim Taylor Swift-Konzert, auch wenn es da beim Jubel natürlich keinen so klaren Rhythmus gab.Taylor Swift 8:29Welche Unterschiede gibt es zwischen solchen Events und « richtigen » Erdbeben?
Bei einem richtigen Erdbeben verschieben sich ja Erdplatten mit einem Ruck gegeneinander. Bei Konzerten oder Fußballspielen kommt es hingegen zu einer Auf- und Ab-Bewegung, der Boden federt also gewissermaßen, wie die Wasseroberfläche eines Sees, wenn man einen Stein hineinwirft. Die Vibrationen vom Konzert werden außerdem über einen viel größeren Zeitraum abgegeben, daher ist es nicht wirklich ein Erdbeben und nichts, vor dem man sich fürchten muss.Wie genau funktioniert das Messnetz?
Das Messnetz besteht aus rund 19 Kilometer langen Glasfaserleitungen, jeder Meter davon entspricht einem Messpunkt. Wir haben also insgesamt 19.000 Messpunkte. Die Messung selbst erfolgt über kurze Laserpulse. Kommt es zu Erschütterungen im Boden, verkürzen oder verlängern sich die einzelnen Abschnitte der Glasfasern ganz minimal, und das lässt sich messen. Wozu dienen die Messungen normalerweise?
Wir haben mit unseren Sensoren zum einen den ringförmigen Teilchenbeschleuniger PETRA auf dem Gelände des Deutschen Elektronen Synchrotons (DESY) ausgestattet, zum anderen den Linearbeschleuniger European XFEL in Richtung Westen. Die Messungen, die Forschende an beiden Beschleunigeranlagen und am Campus im Allgemeinen durchführen, sind sehr vibrationsempfindlich. Und mit Hilfe des Netzwerkes wollen wir in Zukunft diese Störungen der Messungen herausrechnen. Das ist insbesondere wichtig für die sensitivsten Messungen am Campus, die zur Gravitationswellendetektion am Exzellenzcluster Quantum Universe. Aber die seismischen Messungen können noch viel mehr.Was denn alles?
Mit ihnen lässt sich beispielsweise ermitteln, wie genau der Untergrund beschaffen ist. Die Forschungsanlagen stehen zum Teil über einem Salzstock, wo es immer mal wieder zu unterirdischen Absackungen kommt. Außerdem kann man damit die Stabilität von Gebäuden oder den Grundwasserspiegel vermessen. Sicherlich ergeben sich noch viel mehr Anwendungen für diese noch sehr junge Messtechnik.
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Author : Helmut Broeg
Publish date : 2024-07-25 16:54:00
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