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Krieg in der Ukraine: Luftverkehr über Kriegszonen – so gefährlich ist das Fliegen in Russland

An der Absturzstelle eines Passagierflugzeugs der Azerbaijan Airlines (AZAL) in der Nähe von Aktau, Kasachstan




Der Absturz eines Jets der Azerbaijan Airlines zeigt, dass Russland ein Kriegsgebiet geworden ist. Die Risiken für den Luftverkehr sind hoch, wenn die Luftabwehr arbeitet.Über der Ukraine fliegt fast nie ein Passagierjet. Wieso? Weil das ganze Land eine Kriegszone ist. Russland greift regelmäßig Ziele mit Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen an. Die Ukraine wehrt sich mit allem, was sie hat. Im Prinzip benutzen Luftabwehrsysteme eine Typen-Erkennung, sodass sie einen Passagierjet von einem Bomber unterscheiden können. Doch niemand will sich darauf verlassen, dass so etwas in der Hitze des Gefechts zu 100 Prozent funktioniert.Hinzu kommt, dass die Ukraine eine Luftverkehrs-Sackgasse geworden ist. Durch die Sanktionen dürfen westliche Jets keine Ziele in Russland anfliegen oder das Gebiet überqueren. Schon dadurch entsteht eine leere Zone über Belarus, der Ukraine und den westlichen Gebieten Russlands. Über dem Kaukasus staut sich dagegen der Flugverkehr, hierhin werden die Routen verlagert, die Krieg und Sanktionen versperrt haben.Absturz ändert das Risiko Was hat sich nach dem Absturz vom vergangenen Mittwoch geändert? Es ist eine eindrückliche Erinnerung, dass es auch über russischem Gebiet zu Luftkämpfen kommt. Ukrainische Drohnen, die auf Kleinstflugzeugen basieren, dringen sehr tief in den russischen Raum ein und werden dort von der Luftabwehr unter Feuer genommen. Wenn zivile Maschinen in so ein Gefecht hineingeraten, sind sie potenziell gefährdet. Derzeit setzt die Ukraine nur Drohnen ein, die weit unter der normalen Flughöhe von Passagierjets operieren. Aber wenn ein Jet startet oder landet, gerät er in dieses Höhenprofil.Absturz Abschuss 10.39Ob dann immer das Radarsignal korrekt ausgewertet wird, ist fraglich. Gerade wenn ein wichtiges Ziel angegriffen wird, wird die Luftabwehr auf alles feuern, was gerade in der Luft ist. So gesehen ist der Luftverkehr über Russland potenziell gefährdet. Sollte Kiew in der Lage sein, russisches Gebiet mit anderen hochfliegenden Waffen anzugreifen, kann auch das Fliegen auf der normalen Reiseflughöhe zum Risiko werden.Versäumnis oder ÜberraschungIm konkreten Fall kommen mehrere Faktoren zusammen. Um ukrainische Angriffe zu erschweren, stören die Russen die GPS-Satellitennavigation, die auch von Passagierflugzeugen genutzt wird. Die Piloten können nicht darauf vertrauen, dass ihre Daten stimmen. Die Maschine vom Typ Embraer 190 hat im dichten Nebel dreimal versucht, in Grosny zu landen. Beim dritten Anflug kam es zu einem Schlag, vermutlich durch die Splitterexplosion der Luftabwehrrakete eines Panzir-S1-Sytems.Es stellt sich die Frage, warum der Luftraum und der Flughafen während des ukrainischen Angriffs nicht gesperrt wurden. Das kann ein Versäumnis sein, es ist aber auch denkbar, dass die Drohnen vorher nicht geortet worden sind – und Flugsicherung und Abwehr überrascht wurden.Der erfolgreiche Einsatz solcher Drohnen basiert darauf, dass sie nicht oder erst sehr spät vom Gegner geortet werden, sonst können die langsamen Drohnen von Jets und Hubschraubern abgefangen werden. Immer wieder gelingen erfolgreiche Einsätze tief im russischen Hinterland, ein deutliches Zeichen, dass diese Drohnen auf ihrem langen Anflug eben nicht entdeckt wurden.Eil KasachstanRussland ist kein Land im FriedenFlugzeugabschüsse erfahren eine besondere Aufmerksamkeit. Doch kann es in Kriegsgebieten immer zu zivilen Opfern kommen, selbst wenn diese nicht absichtlich attackiert werden. Gerade die Luftabwehr ist eine Gefahr für die zivile Bevölkerung. Ist sie erfolgreich, kann es passieren, dass ein Marschflugkörper vom Kurs abkommt, das eigentliche Ziel nicht erreicht, aber dafür irgendwo anders einschlägt. Selbst wenn Abwehrrakete und Ziel in der Höhe explodieren, stürzen die Trümmer zu Boden. Und wenn die Luftabwehr ein Ziel verfehlt, kommt die Luftabwehrrakete irgendwo hinunter. Das Gleiche gilt für die Projektile von Maschinenkanonen und Maschinengewehren.Der Vorfall zeigt, dass es Putin nicht gelungen ist, « Friedensbedingungen » in Russland zu erhalten, während er den Krieg in der Ukraine führt. Ukrainische Drohnen können Ziele sehr tief in Russland angreifen, entsprechend ist das Land eine potenzielle Kriegszone mit den typischen Risiken. Nur die wenigsten Drohnen erreichen ihre Ziele, aber zu Kollateralschäden der Luftabwehr kann es auch dann kommen, wenn die Drohnen erfolgreich bekämpft wurden. Kiew will die eigene strategische Luftoffensive intensivieren und arbeitet an wirkungsvolleren Fernwaffen. Das könnte zu ernsthaften Problemen für den Luftverkehr über und in Russland führen, sobald ausländische Airlines das Risiko nicht tragen wollen.



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Author : Gernot Kramper

Publish date : 2024-12-27 14:06:00

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