Elf Menschen sterben bei Schwedens schlimmster Massenschießerei. Nach und nach fügt sich ein Bild des Massakers zusammen. Doch noch stehen die Ermittler am Anfang.
Es ist eine Tat, wie sie Schweden noch nicht erlebt hat: Bei einem Amoklauf in einem Bildungszentrum der Stadt Örebro sterben elf Menschen, darunter der mutmaßliche Täter. Viele Menschen werden verletzt, müssen notoperiert werden.
Regierungschef Ulf Kristersson bezeichnete die Tat als die schwerste Massenschießerei in Schwedens Geschichte.
Einen Tag nach dem Angriff liegt vieles noch im Dunkeln. Die Ermittlungen und die Aufarbeitung haben gerade erst begonnen – und die Trauer.
Lange ist die Lage unklar
Dienstagmittag auf dem Campus Risbergska, einer Art Erwachsenenbildungszentrum. Studierende und Lehrende sind gerade beim Mittagessen oder auf dem Weg dorthin, als der Täter zuschlägt.
Um 12.33 Uhr gehen die ersten Notrufe ein. Es wird von Schüssen in der Schule berichtet. Polizei und Rettungskräfte rücken in großer Zahl an. Kurz nach ihrem Eintreffen stellt die Polizei fest, dass tatsächlich Schüsse gefallen sind.
Etwa eine Stunde später meldet die Polizei vier Verletzte. Der Einsatz war zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, das Gebiet zu meiden. Schüler wurden in anderen Schulen in Sicherheit gebracht.
Schwedische Medien berichten zu diesem Zeitpunkt bereits ausführlich über die Schüsse, Reporterinnen und Reporter sind live vor Ort, Fernsehsender zeigen Bilder von Krankenwagen und einem Polizeihubschrauber.
Im Video fallen Schüsse. « Oh mein Gott! »
Schon kurz nach den ersten Meldungen über die Schüsse machen Videos aus dem Inneren der Schule und vom Gelände die Runde.
Eines zeigt eine Frau, die einen Gehweg auf dem Gelände filmt, auf dem sich Menschen langsam vom Gebäude entfernen. Dann sind laute, schnell aufeinander folgende Schüsse zu hören. Die Frau schreit: « Oh mein Gott, es wird geschossen! »
In einem anderen Video, das der Zeitung « Aftonbladet » vorliegt, ist durch das Fenster einer Eingangstür eine Person zu sehen, bei der es sich um den Schützen handeln soll. Dann ertönen Schreie, Menschen fliehen in Panik.
Am Nachmittag berichten die ersten Zeitungen und Fernsehsender unter Berufung auf eigene Quellen von Toten und dass sich der mutmaßliche Schütze selbst erschossen hat.
Doch in den Stunden nach den ersten Meldungen ist vieles unklar: Wie schwer sind die Verletzten verwundet? Gibt es Tote und wenn ja, ist der Täter unter ihnen?
« Ich kann immer noch das Blut riechen »
Ingela Bäck Gustafsson, Rektorin der Schule, saß mit Kollegen zusammen, als plötzlich mehrere Schüler auf sie zukamen und sie aufforderten, das Gebäude zu verlassen.
« Mir wurde klar, dass das hier ernst ist », sagte sie dem Fernsehsender SVT. Der Schock ist in ihrer Stimme zu hören. « Ich rannte mit einer größeren Gruppe hinaus. Und draußen auf dem Schulhof hörte ich Schüsse. Wir riefen nur ‘Lauft! Lauft!’ Wir sind um unser Leben gerannt. »Augenzeugenberichte Uni Amok Prag15.45
Auch Marwa erlebte den Amoklauf hautnah mit. « Ich kann immer noch das Blut in meiner Nase riechen », berichtete sie dem « Aftonbladet ». Sie sei auf dem Weg zur Mensa gewesen, als plötzlich andere Schüler schrien: « Raus! Raus! » Als sie vor der Tür stand, habe sie drei angeschossene Personen gesehen. Einem Mann sei in die Schulter geschossen worden. « Er hat sehr stark geblutet. » Zusammen mit einem anderen Mann habe sie den Verletzten weggebracht.
Um 18 Uhr kommt die schreckliche Nachricht
15.30 Uhr, die Polizei gibt eine erste Pressekonferenz. Roberto Eid Forest, Polizeichef der Region Örebro, bestätigt fünf Verletzte, die ins Krankenhaus gebracht wurden. Später erhöht sich die Zahl auf sechs. Über Tote kann er noch nichts sagen. Beamte durchsuchen in diesen Momenten den Gebäudekomplex.
Die Polizei vermutet zu diesem Zeitpunkt noch, dass sich der mutmaßliche Täter unter den Verletzten befindet. Weitere Täter schließt sie jedoch aus.Schweden Amok Schule 22.15
Gegen 18 Uhr tritt Roberto Eid Forest erneut vor die Journalisten mit der schrecklichen Nachricht: Mindestens zehn Menschen sind tot. Unter ihnen ist auch der Täter. Später wird die Zahl auf elf korrigiert. Noch seien nicht alle identifiziert, sagte Forest am Tag nach der Tat. Sechs Personen wurden verletzt, vier Frauen und zwei Männer. Zwei von ihnen liegen noch auf der Intensivstation.
Schnell wird klar, dass die Schießerei in Örebro beispiellos für Schweden ist. Um 19.30 Uhr tritt Ministerpräsident Ulf Kristersson vor die Presse: « Es ist schwer, das Ausmaß der heutigen Ereignisse zu begreifen, die Dunkelheit, die sich heute Abend über Schweden gelegt hat. »
Vieles über den Amokschützen von Örebro ist noch unbekannt
Über den mutmaßlichen Amokschützen ist einen Tag nach der Tat noch wenig bekannt. Polizeichef Forest sagte am Mittwochvormittag vor Journalisten, der 35-Jährige sei tot aufgefunden worden. Ob er sich selbst erschossen habe, sei unklar, aber vieles spreche dafür. Die Polizei untersucht, ob weitere Personen beteiligt waren, geht aber von einem Einzeltäter aus. Der Schütze sei zuvor nicht polizeibekannt gewesen. Forest machte keine Angaben zu einer möglichen psychiatrischen Behandlung oder Waffenbesitz.
Der öffentlich-rechtliche Sender SVT berichtete jedoch, der 35-Jährige habe mit einer Jagdwaffe angegriffen, für die er einen Waffenschein besessen habe. Roberto Eid Forest wollte dies nicht bestätigen. Laut der Zeitung « Expressen » hat der mutmaßliche Amokläufer seinen Namen geändert und in Örebro gelebt. Ehemalige Mitschüler beschrieben ihn als « Einzelgänger ».
Nach Informationen der Zeitung « Aftonbladet » war der mutmaßliche Schulschütze arbeitslos, hatte soziale Probleme und sich von Familie und Freunden zurückgezogen. « Er hat in den letzten Jahren eine schwere Zeit durchgemacht », sagte ein Verwandter der Zeitung.
Am späten Dienstagnachmittag durchsuchte die Polizei mehrere Orte. Darunter soll sich auch die Wohnung des 35-Jährigen befunden haben.Polizisten durchsuchen eine Wohnung in Örebro, die im Zusammenhang mit der Amoktat stehen soll
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Die Frage nach dem Motiv
Warum der Mann zehn Menschen tötete, ist bislang die große Frage, auf die die Ermittler derzeit mit Hochdruck eine Antwort suchen. Einen terroristischen Hintergrund schloss die Polizei bereits aus, auch Verbindungen zu kriminellen Banden soll der Mann nicht gehabt haben. Hinweise auf ein ideologisches Motiv für den Anschlag gibt es laut Polizei bislang nicht.
Es dürfte noch Tage, wenn nicht Wochen oder Monate dauern, bis die Ermittler die vielen Puzzleteile zusammengesetzt haben und die Hintergründe der Bluttat geklärt sind.
Doch am Tag nach der Tat herrscht in Örebro und ganz Schweden erst einmal Trauer. Im ganzen Land wehen die Flaggen auf halbmast. Menschen versammeln sich in der Nähe des Tatorts, legen Blumen und Kerzen nieder, umarmen sich, um den Schmerz zu lindern, den die Stadt Örebro und ihre 115.000 Einwohner noch lange spüren werden.
König Carl Gustaf: « Ganz Schweden ist heute in Trauer »
Am Mittwochnachmittag traf Ulf Kristersson zusammen mit König Carl Gustaf XVI. und Königin Silvia in Örebro ein. Sie besuchten gemeinsam das Bildungszentrum und wollen an einem Gedenkgottesdienst teilnehmen. Das Königspaar legte Blumen nieder.Schwedens Königspaar trauert am Tatort
© Sergei Grits/AP
« Wir sind alle bestürzt und schockiert. Es ist an vielen Orten der Welt geschehen, und nun ist es hier geschehen. Wir müssen versuchen, diese Gräueltat zu verstehen », sagte der König, tief betroffen.
« Ganz Schweden ist heute in Trauer », fügte er hinzu. Das ganze Land fühle mit den Menschen, die dieses traumatische Ereignis durchleben mussten. « Wir hoffen, dass so etwas in Schweden nie wieder geschehen wird. »
Quellen: Bericht der Polizei Örebro, Pressekonferenz mit Ulf Kristersson, « Expressen », « Dagens Nyheter », « Aftonbladet », SVT
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Author : Rune Weichert
Publish date : 2025-02-05 17:12:00
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