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Bondi Beach: Mutmaßliche IS-Anhänger töten 15 Menschen – was über Opfer und Täter bekannt ist

Bondi Beach: Mutmaßliche IS-Anhänger töten 15 Menschen – was über Opfer und Täter bekannt ist


Am Bondi Beach in Sydney wollen 1000 Menschen das jüdische Lichterfest feiern. Dann schießen zwei Männer um sich. Wie konnte es dazu kommen? Und wer steckt dahinter?

Es ist der wohl schlimmste antisemitische Vorfall in Australien seit mehreren Jahrzehnten: Zwei Männer, mutmaßlich ein Sohn und dessen Vater, erschießen mindestens 15 Menschen bei Feierlichkeiten am beliebten Bondi Beach in Sydney. Dutzende weitere werden verletzt. Schnell wittern Behörden einen antisemitischen Hintergrund. Australiens Premierminister Anthony Albanese sprach von einem « Akt des puren Bösen, einem Akt des Antisemitismus, einem Terrorakt ».

Australien trauert, während die Ermittlungen laufen. Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach dem Motiv, sondern auch, ob sich die Tat hätte verhindern lassen. Ein Überblick über die aktuelle Lage:

Was ist in Sydney passiert?

Der Angriff ereignete sich am Sonntagabend (Ortszeit) zu Beginn des jüdischen Lichterfestes Chanukka. Mit dem achttägigen Lichterfest erinnern Juden an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im zweiten Jahrhundert vor Christus. Dafür hatten sich nach Polizeiangaben an dem beliebten Bondi Beach im Osten Sydneys mehr als tausend Menschen versammelt. Gegen 18.40 Uhr am Sonntag (Ortszeit) gingen laut Polizei die ersten Notrufe ein, nachdem zwei Männer das Feuer auf die Zivilisten eröffnet hatten.

Am Tag nach dem Anschlag blicken Menschen auf den Bondi Beach – jenen Platz, der vom Feier- zum Tatort wurde. Ob man hier irgendwann wieder unbeschwert feiern kann?
© George ChanAugenzeugen zufolge dauerte der Angriff etwa zehn Minuten. Videos in den sozialen Medien zeigen, wie Menschen panisch vom Tatort fliehen. Eine Aufnahme soll auch einen der mutmaßlichen Schützen zeigen, der von einer nahegelegenen Brücke aus feuert.

Für Aufsehen sorgte das mutige Eingreifen eines unbewaffneten Passanten, der einen der beiden Angreifer von hinten umklammert und ihm sein Gewehr entreißt.

Was wissen wir über die Opfer?

15 Menschen (Stand 15. Dezember, 11.50 Uhr MEZ) wurden von den Angreifern getötet. Das jüngste Opfer ist nach Polizeiangaben ein 10-jähriges Mädchen, das älteste Opfer wohl 87 Jahre alt. Einige der Opfer müssten noch offiziell identifiziert werden, teilte die Polizei mit.Was von dem Massaker am Bondi Beach bleibt, sind zurückgelassene Gegenstände, Erinnerungen und TrauerAuch wenn die Sonne den Strand wieder leuchten lässt: Nach dem antisemitischen Anschlag bleiben neben herrenlosen Besitztümern auch die Erinnerungen an die blutige Nacht
© George Chan

Diese Todesopfer sind mittlerweile identifiziert:

der 41-jährige Rabbiner Eli S., der die Feier zum jüdischen Lichterfest mitorganisiert hatte. « Er war ein Mensch, der jeden Tag mit der einfachen Mission aufstand, Gutes zu tun », erklärte der Exekutivrat australischer Judender aus der Ukraine stammender Holocaust-Überlebende, Alex K. « Er starb, als er sie (seine Frau Larissa) vor den Kugeln des Schützen schützte », teilte eine Organisation chassidischer Juden mitder französische Staatsbürger Dan E. « Mit tiefer Trauer habe ich vom Tod unseres Landsmannes bei dem antisemitischen Terroranschlag in Sydney erfahren », erklärte Frankreichs Präsident Macrondie 82-jährige Slowakin Marika P., wie der Präsident der Slowakei, Peter Pellegrini, auf X bestätigtedie 10-jährige Matilda, deren Familie sie als « fröhliches Mädchen » beschriebder Rabbiner Yaakov L., war Mitarbeiter der jüdischen religiösen Einrichtung Sydney Beth Dinder Geschäftsmann Reuven M.der ehemalige Polizist Peter M., der als freier Fotograf die Chanukka-Feierlichkeiten dokumentieren sollteder 78-jährige Tibor W., der das jüdische Fest mit seiner Frau und seinen Enkeln besucht hatte

Nach Polizeiangaben wurden kurz nach der Tat 40 Menschen im Krankenhaus behandelt, darunter zwei Polizisten in ernstem, aber stabilem Zustand. Mittlerweile konnten einige Personen entlassen werden.

Was wissen wir über die Täter?

Einer der mutmaßlichen Angreifer wurde von der Polizei getötet, der zweite lebensgefährlich verletzt. Die australische Polizei hat die beiden bereits wenige Stunden nach der Tat identifiziert. Demnach handelt es sich bei den Tatverdächtigen um einen 50-jährigen Vater und seinen 24-jährigen Sohn. Letzterer war offenbar schon seit Jahren wegen polizeibekannt, wurde von den Behörden allerdings nicht als Bedrohung eingestuft.

Der australische Geheimdienst soll einem Medienbericht zufolge bereits vor sechs Jahren mögliche Verbindungen des 24-Jährigen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geprüft haben. Er soll demnach in engem Kontakt zu einem IS-Kämpfer gestanden haben, der 2019 verhaftet und in Australien wegen der Vorbereitung einer terroristischen Straftat verurteilt worden war. Anti-Terror-Ermittler gehen demnach davon aus, dass Vater und Sohn dem IS einen Treueschwur leisteten.

Die Polizei durchsuchte eigenen Angaben zufolge zwei Häuser in Sydney, in denen die beiden Attentäter gewohnt haben sollen. Der Vater besaß nach Angaben der Polizei sechs registrierte Schusswaffen, die er offenbar alle bei dem Anschlag benutzte. In ihrem Auto am Bondi Beach sollen zwei IS-Flaggen gefunden worden sein, sowie improvisierte Sprengsätze. Auch wenn das Motiv immer klarer scheint, gehen die Ermittler der Frage nach dem Warum weiter nach.

War die Polizei zu langsam?

Nach der Tat rücken mögliche Versäumnisse der Behörden in den Vordergrund. Zeugen werfen den Polizisten Überforderung und Verzögerung vor. Ein Zeuge behauptete, die Beamten seien völlig unvorbereitet gewesen. Wenige Blocks von dem Tatort entfernt soll sich eine Polizeistation befinden. Zeugen kritisierten, dass die Beamten mindestens zwanzig Minuten gebraucht hätten, um vor Ort zu sein.Gerichtsmediziner untersuchen die Leiche eines Opfers am TatortGerichtsmediziner untersuchen die Leiche eines Opfers am Tatort. Wenig später gibt es erste Kritik an der Polizei. Diese sei viel zu spät am Tatort und völlig unvorbereitet gewesen, sagen Zeugen. Der Polizeichef weist das zurück
© Dean Lewins

Der Polizeichef des australischen Bundesstaates New South Wales verteidigte den Einsatz. « Sie haben fantastische Arbeit geleistet, und leider haben wir nach dem Angriff in Westfield Bondi Junction viel gelernt, und heute Abend haben Krankenwagen, Polizei und andere Einsatzkräfte schnell und professionell gehandelt und großartige Arbeit geleistet », sagte er Reportern. Bei der Veranstaltung am Bondi Beach habe es Sicherheitsvorkehrungen gegeben, so habe unter anderem die Polizei patrouilliert, hieß es.

Ein australischer Bürger habe indes einen der Schützen stoppen können: Ahmed Al Ahmed wurde als « Held vom Bondi Beach » einen der Täter überwältigt. Das ist über ihn bekannt.

Gab es so einen Vorfall schon einmal?

1996 erschoss ein 28-Jähriger in den Ruinen des ehemaligen Strafgefangenenlagers Port Arthur in Tasmanien 35 Menschen. Der Vorfall gilt als der schlimmste Amoklauf in der Geschichte Australiens und führte dazu, dass die Behörden strenge Waffengesetze einführten. Allerdings gab es damals keinen antisemitischen Zusammenhang.

Durch den Krieg im Gazastreifen nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 geriet Israel stark in die Kritik. Parallel dazu entstand eine weltweite Welle von Antisemitismus, bei der Hass gegen Juden teils in Angriffe auf Menschen oder jüdische Einrichtungen wie Synagogen gipfelt – auch in Australien. Im Dezember 2024 hatte es einen Brandanschlag auf eine Synagoge in Melbourne gegeben. Das Gotteshaus ging in Flammen auf. Der Anschlag in Sydney am Sonntag mit insgesamt 16 Toten gilt nun wohl als der schlimmste Fall von Schusswaffengewalt in Australien seit rund 30 Jahren.Blumen und Kerzen vor dem Bondi Pavilion am Bondi Beach in Sydney: Menschen trauern um die OpferBlumen und Kerzen vor dem Bondi Pavilion am Bondi Beach in Sydney: Menschen trauern um die Opfer
© Mark Baker / AP

Wie reagiert Australien?

Als Zeichen der Trauer wurden am Montag in ganz Australien die Flaggen auf halbmast gesetzt. Premierminister Albanese sagte bei einer Pressekonferenz: « Wir werden an der Seite der jüdischen Gemeinschaft stehen. » Fragen von Journalisten, ob sein Land genug gegen wachsenden Antisemitismus tue, wies er zurück. Australien nehme das Thema ernst, sagte Albanese. Er will jetzt die Waffengesetze in seinem Land verschärfen. Konkret bedeutet das, dass die Anzahl der Waffen begrenzt wird und bestehende Lizenzen überprüft werden. Zuletzt gab es Medienberichten zufolge Sorge über eine wieder steigende Zahl Waffen im Land.

Die australischen Behörden stufen die Attacke unterdessen als antisemitischen « Terrorangriff » ein. Die Polizei kündigte eine verstärkte Präsenz an Synagogen an.

Wie reagieren andere Länder auf den Anschlag?

Israel macht Australien schwere Vorwürfe. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erinnerte an einen Brief, den er Albanese im August geschrieben habe. Darin habe er ihn davor gewarnt, dass seine Politik « Öl ins Feuer des Antisemitismus gießt », sagte Netanjahu in einer Rede am Sonntag. « Antisemitismus verbreitet sich, wenn Politiker schweigen », fügte er hinzu. Netanjahu nahm mit seiner Kritik Bezug auf Australiens Anerkennung eines Palästinenserstaats. Canberra war damit weiteren westlichen Staaten gefolgt, die vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas auf eine Zweistaatenlösung pochen.

Israels Außenminister Gideon Saar forderte Australien auf, gegen den « Anstieg des Antisemitismus » in dem Land vorzugehen, der seit dem Hamas-Großangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 zu beobachten sei. Ähnlich äußerte sich Israels Staatschef Isaac Herzog. Auch er sprach von einer « enormen Welle des Antisemitismus in der australischen Gesellschaft ».

Der Angriff in Sydney löste auch international Entsetzen aus. « Das war ein furchtbarer Anschlag », sagte Donald Trump am Sonntag bei einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus. « Und es war ganz offensichtlich ein antisemitischer Anschlag. »

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zeigte sich bestürzt. « Der antisemitische Anschlag am Bondi Beach zu Chanukka lässt mich fassungslos zurück », schrieb der Kanzler auf X. « Dies ist ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte. Diesem Antisemitismus müssen wir Einhalt gebieten – hier in Deutschland und weltweit. »

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert und um weitere Informationen ergänzt.



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Publish date : 2025-12-15 12:26:00

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