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Nahost-Konflikt: Die einsame Mission des Ministers: Doch Johann Wadephul kneift nicht

Nahost-Konflikt: Die einsame Mission des Ministers: Doch Johann Wadephul kneift nicht

Johann Wadephul in New York: Berlin ist noch gegen einen Palästinenser-Staat. Bei den Vereinten Nationen steht der Minister damit fast allein – und unter Zeitdruck

Das wird eng. Nicht nur politisch. Johann Wadephul hat eine hohe Startnummer erwischt. Er ist erst als 33. Redner vorgesehen, weil vor ihm Staatsoberhäupter, Regierungschefs und andere Honoratioren an der Reihe sind. Außenminister – bitte hinten anstellen.

Johann Wadephul hat aber nicht ewig Zeit an diesem Montagabend. Nach gut drei Stunden wartet schon der nächste Termin, ein Treffen mit den Kollegen der G7-Staaten. Wenn er Pech hat, kann er überhaupt nicht reden. Doch Moment – vielleicht käme ihm das sogar gelegen. Was der Minister hier gleich zu sagen hat, dürfte sowieso nicht viel Beifall finden. Plant Wadephul womöglich, mit einer guten Ausrede rechtzeitig die Biege zu machen?

Johann Wadephul muss mehr als drei Stunden warten

Das Gebäude der Vereinten Nationen in New York am Montag. Im großen Saal der Vollversammlung geht es um den Nahen Osten. Frankreich und Saudi-Arabien haben zu dieser Konferenz vor dem Start der eigentlichen Generalversammlung eingeladen. Offiziell wollen sie eine breite Unterstützung für die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung organisieren, Israel und die Palästinenser Seite an Seite. Ein Modell, das seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegt. Auch Deutschland ist immer schon dafür.

Viele Teilnehmer drängen jedoch angesichts des harten Vorgehens der israelischen Armee im Gaza-Streifen auf eine sofortige Anerkennung des Staates Palästina durch jene Länder, die das bisher verweigern. Allzu viele sind das sowieso nicht mehr. Aber Deutschland gehört dazu. Und nach dem Willen der Bundesregierung soll das vorerst auch so bleiben.

Insgesamt haben schon mehr als 150 UN-Mitgliedsstaaten Palästina anerkannt. In Europa hat man lange gezögert. Dann fingen Spanien, Irland, Norwegen und Slowenien 2024 damit an, zuletzt folgten Großbritannien und Portugal, sowie weitere westliche Partnerstaaten wie Kanada und Australien.

Und nun nutzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Eröffnungsrede, um dem Staat Palästina ebenfalls die Anerkennung auszusprechen. « Die Zeit ist gekommen », sagt Macron. Die sechs Vertreter Palästinas im Saal begrüßen das stehend und mit lautem Jubel. Präsident Mahmud Abbas ist nur per Video zugeschaltet, weil die US-Regierung ihm die Einreise verweigert hat. Israelische Vertreter sind auch nicht im Saal – allerdings aus Protest gegen die Konferenz.

Ist die Bundesregierung in Europa zunehmend isoliert? « Ich glaube, allen ist klar, dass Deutschland ein besonderes Verhältnis zum Staat Israel hat. » So erklärte Wadephul vor der Sitzung die deutsche Position. Es müsse sich erst ein palästinensischer Staat bilden, dann könne man ihn auch anerkennen. Jetzt sei das « nicht der angemessene Schritt ». 

Die Uneinigkeit Europas ist auch ein Problem der zwei wichtigsten Staaten der EU. Frankreich fordert die Freilassung der israelischen Geiseln, die Entwaffnung der Hamas, das Ende des israelischen Feldzuges gegen Gaza und sofortige humanitäre Hilfe. All das will Deutschland auch. Aber Paris setzt die Anerkennung jetzt an den Anfang. Berlin sieht sie « als einen der letzten Schritte », wie Kanzler Friedrich Merz gesagt hat.

Macron findet, der Krieg und seine Folgen würden ohne die Anerkennung noch schlimmer werden. In Berlin findet man, gerade die Anerkennung werde die Fronten weiter verhärten. Macron sagt, es sei Zeit, « den Frieden zu schmieden ». Wadephul warnte schon vor seiner Abreise nach New York, eine Politik, die mit dem Kopf durch die Wand wolle, helfe niemand.

Zwei-Staaten-Lösung: Großer Zuspruch, wenig Chancen

Tatsächlich hat die Konferenz ein entscheidendes Problem: Die Unterstützung für einen Palästinenser-Staat ist groß, aber die Chancen einer Zwei-Staaten-Lösung bleiben klein. Israel lehnt sie ab, die Regierung sieht die Anerkennung des Palästinenserstaates als Belohnung für Terrorismus. Benjamin Netanjahu weiß dabei US-Präsident Donald Trump auf seiner Seite. All die anderen Staaten, die sich für die Palästinenser stark machen, sind in Wahrheit zu schwach, um die Zwei-Staaten-Lösung durchzusetzen. Die Konferenz werde die diplomatische Isolation Israels vertiefen, aber an der realen Lage nichts verändern, kommentierte die New York Times nüchtern.

Wadephul führt nicht nur historische Gründe für die deutsche Zurückhaltung an. Berlin sieht für sich auch eine Rolle als Brückenbauer zwischen Europa einerseits sowie Israel und den USA andererseits. Zudem, so heißt es, habe sich die Bundesregierung ja nicht unbeweglich gezeigt, als jüngst schon für eine UN-Resolution stimmte, in der die Zwei-Staaten-Lösung gefordert wurde. Damit habe man doch Anschlussfähigkeit bewiesen, findet Wadephul. Nur eben nicht beim Zeitplan.

Apropos Zeitplan: Nach drei Stunden hat Wadephul schon viele Redner erlebt. UN-Generalsekretär António Guterres rief, ein Staat für die Palästinenser sei deren Recht und keine Belohnung. Zwei andere Deutsche musste sich Wadephul schon anhören, Annalena Baerbock als Präsidentin der Generalversammlung, Ursula von der Leyen für die Europäische Kommission. Protokollarisch sind sie immer noch wichtiger als Johann Wadephul. 

Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, der seit 19 Jahren keine Wahlen mehr ermöglicht hat, versprach von Ramallah aus plötzlich Demokratie. Erstmals verurteilte er ausdrücklich den Terror vom 7. Oktober 2023. Die Hamas werde in der Führung des palästinensischen Staates keine Rolle spielen.

Der portugiesische Präsident erkannte Palästina an, genauso wie nach ihm Fürst Albert von Monaco und der maltesische Außenminister. Emmanuel Macron begleitete manche Reden mit Gesten des Dankes oder einem hochgereckten Daumen. Dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, der mit Israel besonders hart ins Gericht gegangen war, fiel er sogar um den Hals nach dessen Rede. Würde er solche Zärtlichkeiten nach Wadephuls Auftritt auch dem deutschen Außenminister angedeihen lassen?

Wadephul hat nur zwei Minuten Zeit – reicht das?

Es ist 18:08 Uhr, die Sitzung läuft seit mehr als drei Stunden, als der deutsche Außenminister doch noch ans Rednerpult vor der bekannten dunkelgrünen Steinwand tritt. Selbst Andorra war vor ihm dran und hat den Palästinenserstaat ebenfalls anerkannt. Doch Wadephul kneift nicht. Zwei Minuten hat er jetzt Zeit, dann wird das Mikrofon abgedreht. Dem Italiener ist das zuvor passiert, dem Mexikaner auch.

Die Menschen in Gaza erlebten « die Hölle auf Erden », sagt Wadephul. Er erinnert aber auch an den Terror der Hamas gegen Israel. Der Konflikt könne nicht mit Krieg und Zerstörung beendet werden. Zwar erscheine die Zwei-Staaten-Lösung weiter entfernt denn je, man setze sich dennoch dafür ein, weil niemand bisher eine bessere Alternative aufgezeigt habe. Gerade will Wadephul noch einmal erklären, warum Deutschland sich immer dem Existenzrecht Israels verpflichtet fühle – doch da ist seine Redezeit schon um. Das Mikrofon wird abgestellt. Wadephul spricht noch eine gute halbe Minute, aber man kann ihn nicht mehr hören.

Und was macht Emmanuel Macron? Er ist bei Wadephuls Rede schon gegangen.



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Author : Nico Fried

Publish date : 2025-09-22 23:47:00

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